Kommentar
Seit dem Ende des Dritten Reiches stehen wir Menschen weltweit, in Europa, in Deutschland und in Hamburg in der Verantwortung einer gewissenhaften Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit sowie einem ungebrochenen Gedenken der vielen Opfer der NS-Zeit. Als Berufsverband bildender Künstler*innen Hamburg halten wir eine reflexive und intensive Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel der Geschichte Deutschlands für unumgänglich (1). Wir sind jedochzutiefst betroffen darüber, wie die Hamburgischen Behörden im Fall Stadthaus mit diesem sensiblen Thema umgegangen sind und weiterhin umgehen.
Das Stadthaus im Zentrum der Stadt Hamburg teilt die Geschichte der Gräueltaten der damaligen Zeit 1933-1943, Sitz der Staatspolizei und des Gestapo-Hauptquartiers seit 1935. Seit weit über 70 Jahren ist zum Thema Gedenken im Stadthaus nicht viel passiert (2).
Nach dem Verkauf an die Quantum AG regte sich öffentlicher Protest, da die Privatisierung dieses Ortes deutlich machte, dass spätestens jetzt die Verantwortung für das ehemalige Gestapo-Hauptquartier endgültig aus der Hand gegeben worden war. Es gründete sich die beachtliche Initiative Förderkreis Stadthaus. Der Förderkreis legt den Finger in die Wunde: Ein angemessener Ort des Gedenkens und Erinnerns wurde in den Stadthöfen nicht geschaffen (3).
Auf der Webseite Förderkreis Stadthaus ist seit Februar zu lesen:
„05.02.2019: Nachdem am 4. Dezember 2018 vier Mitglieder des „Beirates“ (a) als Expert*innen im Kulturausschuss angehört worden waren, fand am 5. Januar 2019 die Anhörung des Kultursenators Brosda statt. In langen, weitschweifigen Ausführungen und mit gedrechselten Sätzen verteidigte er den jetzigen Zustand und lobte die jetzt erreichten Fortschritte. Gleichzeitig machte er deutlich, dass es eine Gesamtschau des Widerstandes in den Stadthöfen nicht geben wird. Seine Begründung: Einem Investor wie Quantum sei es nicht zuzumuten, eine Gedenkstätte zum Widerstand zu organisieren.“ Der detaillierte Bericht dazu liest sich schockierend, siehe dazu (4).
Der Berufsverband bildender Künstler*innen schließt sich der öffentlichen Meinung an, dass es lange vor der Übergabe an einen luxusorientierten Privatinvestor ernsthafte Bemühungen hätte geben müssen, einen angemessenen Ort des Erinnerns im Stadthaus einzurichten. Darüber hinaus halten wir es für skandalös, die Verantwortung in eine vertragliche Klausel an den Käufer zu bannen. Ferner halten wir es für eine Katastrophe, sich damit rechtlich ins Abseits zu katapultieren und in der Konsequenz seiner eigenen Verantwortung nicht mehr nachkommen zu müssen. Lukrative Geschäfte entbinden die Stadt Hamburg nicht von ihrer Verantwortung, sondern erfordern Anstand zu wahren und gemäß ihrer Sorgfaltspflicht juristisch hieb- und stichfeste Verträge auszuhandeln, die einer Stadt nicht das Rückgrat brechen.
Die Hamburgische Bürgerschaft hatte am 7.8.2018 mit Drucksache DS 21/13971 unter Kultur und Staatsarchiv bekannt gegeben:
„In der Behörde für Kultur und Medien sollen die folgenden wichtigen investiven Maßnahmen finanziert werden: Für den Erinnerungsort Stadthöfe ist ein dreigliedriges Konzept – Erinnerungsort, Buchhandlung und Café – geplant, um diesen Ort der Verfolgung, Verhöre, Folterung und Tod deutlich stärker als bisher im Stadtgedächtnis zu verankern […].“ (5)
Wir halten das für einen deutlich zu schwachen Ansatz.
Die Hamburgische Bürgerschaft hatte am 7.8.2018 mit Drucksache DS 21/13971 unter Kultur und Staatsarchivweiter bekannt gegeben:
„Zur Umsetzung dieses Gedankens ist nunmehr ein Ideenwettbewerb für die künstlerische Gestaltung des Gedenkortes geplant. Insgesamt werden für diese Maßnahme 250 Tsd. Euro investiv benötigt.“
Die kleine Anfrage, Drucksache 21/15051, 21. Wahlperiode, des Abgeordneten Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 15.11.18, Betr.: Ein „starker visueller Impuls“ für das Stadthaus? eröffnet mit den Worten:
„Ein Kunstwerk als „starker visueller Impuls“ soll künftig auf das hinweisen, was bis heute für die meisten Menschen bedauerlicherweise unbemerkt bleibt: dass sich an der Stadthausbrücke von 1933 bis 1943 der Sitz des Gestapo-Hauptquartiers, der Ordnungspolizei, der Kriminal- und Sicherheitspolizei sowie weiterer Polizeidienststellen des „Dritten Reiches“ befand. Das Stadthaus war somit das Zentrum des Nazi-Terrors in Hamburg sowie weiten Teilen Norddeutschlands. Um im stadträumlichen Umfeld ein öffentlich sichtbares Erinnerungszeichen zu realisieren, wird derzeit ein künstlerischer Wettbewerb vorbereitet.“ […] Die Antwort des Senats darauf lautet wie folgt:
„Mit der Drs. 21/13971 hat die Hamburgische Bürgerschaft für die Durchführung eines Ideenwettbewerbs und künstlerische Gestaltung eines Gedenkortes 250.000 Euro zur Verfügung gestellt. Nach derzeitiger Planung entfallen davon 50.000 Euro auf das Wettbewerbsverfahren und 200.000 Euro auf die Realisierung des Kunstwerks. Ausgangspunkt der Überlegungen der zuständigen Behörde war der Vorschlag aus dem Beirat Stadthöfe, den Aspekt des Gedenkens aus dem Geschichtsort heraus in den öffentlichen Raum zu verlagern, um so in unmittelbarer Umgebung des Geschichtsortes einen aufmerksamkeitsstarken „Stolperstein“ zu schaffen und der Öffentlichkeit eine durchgehende Zugänglichkeit zu ermöglichen. Nach Abstimmung mit dem zuständigen Bezirksamt steht dafür auf dem Gehweg vor dem Geschichtsort eine Fläche für die Realisierung des Kunstwerks zur Verfügung, die als Maß ein Kunstwerk von bis zu zwei mal 5 Metern und einer Höhe von bis zu 3 Metern zulässt. Auswahlkriterien waren dabei neben praktischen Gegebenheiten wie Gehwegbreite und Baumbestand die unmittelbare Nähe zum Geschichtsort und der Umstand, dass es keine Konflikte mit dem Fuß-, Rad- und Fahrzeugverkehr gibt. […]“. (6)
Kürzlich reagierte darauf die FDP mit schriftlicher kleiner Anfrage des Abgeordneten Jens P. Meyer (FDP) vom 07.02.2019, Betr.: Kunstwerk als Erinnerungszeichen am Stadthaus – Was ist der aktuelle Stand?
„… Das Verfahren zur Realisierung dieses Kunstwerks hat nun begonnen, wobei man sich von Seiten der Behörde für einen geschlossenen Wettbewerb und nicht für eine offene Ausschreibung entschied. Die Entscheidung für einen nicht offenen, eingeladenen Wettbewerb wird dabei insbesondere von Hamburger Künstlerinnen und Künstlern kritisch gesehen. In der Drucksache 21/15051 wird ausgeführt, dass diese Entscheidung getroffen wurde, da eine Beteiligung professionell ausgebildeter und professionell arbeitender Künstlerinnen bei einem offenen Wettbewerb nicht immer garantiert sei. In der gleichen Drucksache wird weiterhin ausgeführt, dass „die Planungen, insbesondere im Hinblick auf die konkreten Vorgaben des Ausschreibungstextes und des Wettbewerbs, sowie die konkrete Zusammensetzung der Auswahlkommission und des Preisgerichts noch nicht abgeschlossen“ seien.“
Der Berufsverband lobt die Bemühungen, ein Kunstwerk zum Gedenken zu schaffen.
„Der Begriff einer nach Auschwitz auferstandenen Kultur ist scheinhaft und widersinnig, und dafür hat jedes Gebilde, das überhaupt noch entsteht, den bitteren Preis zu bezahlen. Weil jedoch die Welt den eigenen Untergang überlebt hat, bedarf sie gleichwohl der Kunst als ihrer bewusstlosen Geschichtsschreibung. Die authentischen Künstler der Gegenwart sind die, in deren Werken das äußerste Grauen nachzittert.“ – Theodor W. Adorno: Jene zwanziger Jahre
Wir halten es nach dem, wie das Thema Stadthaus Furore gemacht hat, jedoch für zweifelhaft, nicht den Weg einer öffentlichen Ausschreibung gegangen zu sein. Wir hätten uns ein Verfahren gewünscht, das durchsichtig gestaltet und eine offene Kommunikation und Diskussion zugelassen hätte.
Der vergällte Umgang mit dem wichtigen Thema der Erinnerungskultur, hier am aktuellen Beispiel Stadthaus, lässt uns fragend zurück:
Wie viele potentielle Gedenkorte sind womöglich unerschlossen?
Ist eine Person laufend mit der Aufgabe betraut, diese Orte zu finden und zu dokumentieren?
Gibt es Maßnahmen der Stadt Hamburg, die verhindern, dass die Verantwortung für die Geschichte Deutschlands aus den Händen der beteiligten Behörden gleitet?
Können wir darauf vertrauen, dass dieses Thema lehrreich in der Bürgerschaft kommuniziert wird?
Können wird darauf vertrauen, dass die einzelnen Behörden dem angemessenen Gedenken verpflichtet sind und dementsprechend achtsam handeln?
Können wir darauf vertrauen, dass die Opfer der NS-Zeit zukünftig nicht übergangen werden, sobald damit verbundene Orte aus öffentlicher Hand gegeben werden?
Gibt es Auflagen der Behörden, die sie zur geschichtlichen Überprüfung eines Ortes verpflichten?
Ist jemand auch nur im Stillen beschämt und wird es zukünftig besser machen?
(1) https://www.gedenkstaetten-in-hamburg.de/home/
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Stadthaus_(Hamburg)
https://de.wikipedia.org/wiki/Staatspolizeileitstelle_Hamburg
(3) http://www.foerderkreis-stadthaus.de/
(a) Arbeitskreis ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten (AvS), Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB Hamburg), Förderkreis Gedenkstätte und Lernort Stadthaus, „Stolperstein“-Initiativen, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA), Prof. Dr. Hans-Jörg Czech (Direktor Museum für Hamburgische Geschichte), Herbert Diercks (Ausstellungskurator KZ-Gedenkstätte Neuengamme), PD Dr. Kirsten Heinsohn (stellv. Direktorin Forschungsstelle für Zeitgeschichte), Dr. Stephan Linck (Studienleiter Evangelische Akademie der Nordkirche), Dr. Miriam Rürup (Direktorin Institut für die Geschichte der deutschen Juden), Staatsrat a.D. Hans-Peter Strenge (Moderation), von Seiten der Behörde für Kultur und Medien Frau Dr. Busse und Dr. Detlef Garbe (Direktor der KZ-Gedenkstätte Neuengamme)
(4) http://www.foerderkreis-stadthaus.de/img/Kulturausschuss.jpg